Auf den Punkt
Marktkommentar Oktober 2022
Inhalt:
• Stürmische Zeiten
• USA im Vorteil
• Irrationale Kursbewegungen und Bewertungen treffen auf hohe Dividenden
• Ausblick – Extreme Entwicklungen – War es das jetzt?
Wir erleben im Moment stürmische Zeiten. Deutschland hofft derzeit, glimpflich durch den nächsten Winter zu kommen. Ohne zu frieren, ohne Blackouts und ohne eine Reihe von Firmenpleiten erleben zu müssen. Haben auch Sie bereits Vorsorge für den „Energie-Ernstfall“ getroffen?
Die hohe Inflation macht sich derzeit so real wie nie zuvor im eigenen Geldbeutel bemerkbar. Dadurch wird die Geldentwertung erstmals seit den 1970er Jahren erlebbar und treibt vielen Menschen im Land ernstzunehmende Sorgenfalten ins Gesicht. Die Aneinanderreihung negativer Ereignisse scheint nicht abzureißen.
Hoher Inflationsanstieg – Energiekrise vor allem bei Gas – EURO-Schwäche – Lieferkettenprobleme – Ukrainekrieg mit atomaren Drohgebärden – und nicht zuletzt – Covid.
War es das jetzt oder worauf sollten wir uns einstellen? Diese Frage kann niemand sicher beantworten. Wir können lediglich mit Wahrscheinlichkeiten operieren und einen kühlen Kopf bewahren.
Das Ifo-Geschäftsklima sowie weitere Stimmungsindikatoren bestätigen aktuelle Einschätzungen. Die deutsche Wirtschaft befindet sich bereits in einer Rezession, die uns ins Jahr 2023 begleiten wird. Ein Rückgang der Rohstoffpreise ist angesichts der globalen Konjunktureintrübung bereits zu erkennen. Aufgrund der aktuellen Euro-Schwäche sowie den hohen Energiepreisen sollte der inflationäre Druck jedoch kurzfristig noch anhalten. Die aufkommende Nachfrageschwäche, der zu erwartende Margendruck und reale Einkommensverluste werden diesen jedoch zunehmend dämpfen. Daher ist die Erwartung einer nachlassenden Inflationsdynamik im Jahr 2023 aus unserer Sicht berechtigt.
Aktuelle Schwierigkeiten und Hoffnungsschimmer:
1. Die Inflation sollte kurzfristig noch ansteigen. Deflationäre Impulse von Seiten der Rohstoffpreise und eine schwache Nachfrage werden die Inflationsdynamik jedoch drehen. Wir erwarten einen deutlichen Rückgang im Jahr 2023. Zum Jahresende hin ggf. wieder in die Nähe des Notenbankziels von 2%.
2. Der Rohölpreis ist von 123 USD in der Spitze auf 83 USD /Barrel (03.10.2022) gefallen. Durch den massiven Verfall des EUR gegenüber dem USD ist die Preisminderung in Euroland jedoch kaum angekommen. Viele Rohstoffe wie Kupfer, Aluminium, Holz, Nickel etc. notieren bereits wieder auf Vorkrisenniveau. Strom und Gas machen uns das Leben weiterhin schwer. Eine 40%ige Abhängigkeit von russischem Gas kann Europa nicht mal eben auf dem Weltmarkt kompensieren und keinesfalls zu vergleichbaren Preisen. Aber auch hier zeigt sich Entspannung. An der niederländischen Terminbörse hat sich der Preis für die Megawattstunde Gas von über 300 EUR (Dutch TTF Natural Gas Future) im August auf 160 EUR Anfang Oktober reduziert. Historische Preisniveaus von unter 50 EUR oder gar 30 EUR werden wir wohl nicht wieder sehen.
3. Die Zinsen in Euroland und den USA sollten im ersten bis zweiten Quartal 2023 ihren Höhepunkt erreicht haben. Daher besteht begründete Hoffnung, dass die Notenbanken ihr Argumentarium hinsichtlich Zinserhöhungen weniger aggressiv gestalten werden. Dies vermindert den geldpolitischen Druck, der derzeit auf den Aktienmarkt lastet.
4. Ein USD-Anteil bleibt strategisch sinnvoll. Der USD ist seit Jahresbeginn circa 15 % gestiegen. Für die Weltkonjunktur ist dieser Anstieg ein weiterer Bremsblock. Unternehmen in den USA sollten aus unserer Sicht besser durch die schwierige konjunkturelle Phase kommen und sind geopolitisch weniger anfällig.
5. Die Lieferkettenprobleme sowie Logistikprobleme im Welthandel scheinen sich mittlerweile zu reduzieren. Produktionen wurden umgestellt, Lieferanten gewechselt und diversifiziert. Hafenbetreiber berichten, dass der Rückstand der Schiffsabfertigungen stark abgearbeitet ist. Die Charterraten sind massiv von ihren Hochs zurückgekommen. Einzig die Null-Covid Politik Chinas ist hier nicht hilfreich.
6. Asiatische Aktien dürften sich mittelfristig dennoch besser entwickeln. Die Zuwachsraten der Geldmengen M 1 und M2 steigen in China, von tiefem Niveau kommend, wieder an, während sie im Westen deutlich sinken. Die chinesische Zentralbank hat bereits begonnen die Zinsen zu senken, was wiederum die Konjunktur ankurbeln sollte. Die chinesische Volkswirtschaft leidet stärker unter Corona und der Politik der Lockdowns. Von vielen Faktoren, die Europa belasten, ist das Land jedoch verschont geblieben. Insbesondere, da es seine Öl- und Gaslieferungen aus Russland zu sehr vorteilhaften Konditionen gesteigert hat und sich zudem den Zugang zu wichtigen Rohstoffen bereits seit längerem strategisch gesichert hat. Die Null-Covid-Politik bleibt kurzfristig ein Risikofaktor.
7. Atomare Bedrohung – real, aber wie wahrscheinlich? Dass es in Europa im 21. Jahrhundert nochmals einen Krieg geben würde, hätte sicherlich niemand gedacht. Aktuell wird berichtet, dass sich die russische Armee eher auf dem Rückzug befindet. In Russland mobilisiert Putin neue Kräfte. Ob und wann es zu einem Ende des Krieges kommt, weiß vermutlich nur der Aggressor selbst. Die Bedeutung des Ukraine-Krieges für die Finanzmärkte hat abgenommen. Nachrichten zur Eventualität eines begrenzten Atomkrieges verunsichern – eine Grenze, die keine der Atommächte übertreten sollte. Vielleicht sind die lauter werdenden Proteste innerhalb der russischen Bevölkerung ein Hoffnungsschimmer.
8. Covid hat in der Öffentlichkeit an Brisanz verloren und wird gefühlt „nur“ noch als lästige Grippe wahrgenommen – bleibt das im Winter so?
USA im Vorteil – Standortvergleich
• Die stabilere Währung: USD
Der USD hat seit Jahresbeginn zweistellig gegenüber dem Euro und anderen Währungen aufgewertet. Das mildert die US-Inflation über „billige“ Importe. Was für unsere heimische Exportwirtschaft eine Wachstumsstütze bedeutet, ist jedoch für den Geldbeutel jedes einzelnen Bürgers in Euroland nachteilig. Die Kaufkraft des Euro im Ausland, wie etwa für Öl und Gas, ist deutlich gesunken und die Inflation nagt zusätzlich am Wert unseres Einkommens und Vermögens.
• Die Zentralbanken
Während die europäische Notenbank Rücksicht auf die Schuldensituation der südlichen Euro-Staaten nehmen muss, beendete US-Notenbankchef Jerome Powell bereits im März die Anleihekäufe, mit welchen in der Pandemie massiv Liquidität in den Wirtschaftskreislauf gepumpt wurde. Seit Mai hat die amerikanische FED 5 Zinserhöhungen durchgeführt und den US-Leitzins massiv auf 3,25% anhoben. Die Europäische Zentralbank (EZB) hob nach anfänglichem Zögern im Juli die Zinsen erstmalig an, nachdem die Inflationsrate bereits im März erstmalig die 7% Marke überschritten hatte. Nach einer weiteren Zinserhöhung im September liegt der Leitzins der EZB aktuell bei 1,25%.
• Energieabhängigkeit
Die USA haben ihre Energieabhängigkeit seit der Ölkrise der 1970er Jahre deutlich reduziert. Die Mehrkosten sind auch dort spürbar, jedoch bleiben sie im eigenen Land. In der EU hingegen ist die Erzeugung von Energie seit Jahren rückläufig. Mehr als die Hälfte des Energiebedarfs wird außerhalb der EU erzeugt, wobei die Situation von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr heterogen ist. In Estland z.B. liegt die Abhängigkeitsquote bei ca. 10%, in Deutschland bei über 60%. Das Rekordniveau der Energiepreise trifft uns deutsche Verbraucher hart und Unternehmen noch härter, da sie nicht von Regulierungen geschützt werden. Ein deutsches Unternehmen zahlt derzeit etwa fünf- bis sechsmal so viel für Strom wie ein US-Unternehmen. Beim Gas sieht es ähnlich aus. Die relative Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen sinkt dadurch.
• Arbeitsmarktsituation
Das Thema Fachkräftemangel zieht sich hierzulande durch alle Branchen und ist allgegenwärtig. Ein demographisches Problem. Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland sinkt stetig. Die Bevölkerung im Alter von 15-64 Jahren wird bis zum Jahr 2035 um 3 Mio. schrumpfen (Institut der dt. Wirtschaft 28.8.2022; Nettozuwanderung bereits eingerechnet). In den USA hingegen ist eine Verknappung des Arbeitskräfteangebots derzeit zumindest noch kein Thema.
• Wirtschaftliche Situation
Obwohl die US Wirtschaft Schwächezeichen aufweist, handelt es sich dabei nach wie vor um keine eigentliche Rezession. Der starke US-Arbeitsmarkt (Lohnsteigerungen > 5 % seit Jahresbeginn) dürfte zusammen mit umfassenden Ersparnissen den Privatkonsum stützen. In Deutschland zeichnet sich ein anderes Bild. Trotz einiger Tarifverhandlungen sind die Reallöhne in Deutschland deutlich gesunken. Die Kaufkraft sinkt, auch wenn die Regierung mit Unterstützungsmaßnahmen versucht, einen Ausgleich zu schaffen. Die Rezessionsgefahr steigt und die Situation am Arbeitsmarkt sollte mittelfristig auch den Lohndruck erhöhen und leider auch die Inflation verfestigen.
Eine wirksame Inflationsbekämpfung funktioniert meist nur in Verbindung mit einer Rezession. Eine Chance für Unternehmen, Innovationen durchzusetzen und langfristig besser dazustehen. Geschäftsmodelle, deren Existenz nur auf niedrigen Zinsen beruhte, werden bereinigt werden.
Irrationale Kursbewegungen und Bewertungen treffen auf hohe Dividenden
Angst war noch nie ein guter Ratgeber. Auch an der Börse gilt dieser Grundsatz. Als langfristige Investoren dürfen wir uns von den Aufs und Abs nicht beirren lassen. Vor allem in solch angespannten Börsenphasen bieten sich oftmals die besten Einstiegsgelegenheiten.
Betrachten wir beispielhaft die Volkswagen AG:
Die Volkswagen AG ist der größte Automobilhersteller in Europa und einer der führenden weltweit. Volkswagen konzentriert seine Tätigkeit auf das Automobilgeschäft und bietet entlang der gesamten Wertschöpfungskette einschließlich der Segmente Finanzdienstleistungen und Finanzierung ein breites und vollständiges Dienstleistungsspektrum an. Die Marken Volkswagen, Audi, SEAT, Skoda, Bentley, Bugatti, Lamborghini, Porsche, Ducati, Volkswagen Nutzfahrzeuge, Scania und MAN gehören zum Portfolio. Dabei hat jede Marke ihren eigenen Charakter und operiert selbständig am Markt. (Quelle: Facunda financial data GmbH)
Volkswagen hat unter dem neuen Vorstand Oliver Blume die Marke Porsche an die Börse gebracht und dabei einen Milliardenbetrag erlöst. Die gesamte Firma Porsche AG (WKN PAG911 – nicht zu verwechseln mit der Porsche Holding) hatte am 08.10.22 eine Börsenbewertung von rund 84 Mrd. EUR. Volkswagen (WKN 766403) hat am gleichen Tag eine Bewertung von circa 77 Mrd. EUR auf die Waage gebracht. Volkswagen selbst besitzt drei Viertel der Anteile an Porsche, die somit an der Börse alleine rund 60 Mrd. EUR wert waren. Der Rest der Volkswagen AG kommt somit rechnerisch auf eine Bewertung von rund 20 Mrd. EUR. Darin enthalten neben der Kernmarke Volkswagen, die volumenmäßig um ein Vielfaches größer ist als Porsche, auch die vorgenannten Top-Marken, die Nutzfahrzeuge sowie weitere Beteiligungen, nicht zu vergessen die Finanzdienstleistungssparte und und und! Wo auch immer eine faire Bewertung für die Firmenwerte der Volkswagen AG liegt, die aktuellen rund 20 Mrd. EUR erscheinen absurd niedrig.
Woran liegt das? Was man auf alle Fälle beachten muss, ist das hohe Fremdkapital. Die Refinanzierung war bisher keine Schwierigkeit. Wenn aber durch die Rezession alles Schlechte zusammenkommt und die Risikoprämien steigen, könnte sich die Lage schnell ändern. Weiterhin steht die europäische Produktionsbasis durch die Energiekrise vor großen Herausforderungen und der Wettbewerb wird härter. Positiv ist, dass Volkswagen die letzten Jahre genutzt hat, um sich bei wichtigen Zukunftsthemen, wie z.B. der Batterietechnik, in der europäischen Spitzengruppe zu positionieren.
Der Nettogewinn sollte laut Unternehmensschätzungen in diesem und auch im kommenden Jahr bei rund 17 Mrd. EUR liegen. Damit liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei unter 4! Die Dividendenrendite liegt bei stattlichen 7% und zusätzlich ist eine Sonderausschüttung aus den Erlösen des Porsche-Börsengangs geplant. Ja, es gibt wie immer auch Risiken. Und wo der tiefste Kurs der Aktie liegen wird, wissen auch wir nicht. Augenscheinlich preist der Markt derzeit sehr viele Risiken ein und die Chancen bleiben wenig beachtet. Langfristig eine gute Einstiegsgelegenheit und … Volkswagen ist derzeit bei weitem kein Einzelfall.
Ausblick – Extreme Entwicklungen – War es das jetzt?
Die Ankündigung von FED-Chef Gerome Powell am 21.09.2022 machten klar, dass die Wiederherstellung der Preisstabilität oberste Priorität für die Zentralbank der USA hat, ohne Rücksicht auf die Konjunktur und den Arbeitsmarkt. Drei weitere Zinserhöhungen gelten als ausgemacht und wurden unter entsprechenden Verlusten bei Aktien, Anleihen und Rohstoffen eingepreist. Auf Grund der Krisenmixtur sind nicht nur Wachstumsaktien, sondern auch fundamental gut aufgestellte substanzhaltige Unternehmen mittlerweile in den Strudel der Börse geraten. Die vergleichsweise hohen Dividenden mildern die Verluste und helfen die Wartezeit und die Kurskapriolen zu überstehen.
War es das jetzt?
Die Märkte, egal ob Aktien oder Anleihen, sind sehr emotional getrieben und daher schwer vorhersehbar. Der letzte massive Zinserhöhungszyklus, der im Anschluss die Konjunktur abwürgte, erfolgte 1979 durch den damaligen Fed-Chef Paul Volcker. Nachweislich war seine Amtsperiode keine schlechte für Aktienanleger. In einer Rezession Aktien zu kaufen, hat sich in der Vergangenheit immer ausgezahlt. Es wird noch Bremsspuren durch steigende Kosten in den Quartalszahlen der Unternehmen für die letzten beiden Quartale des Jahres geben, dessen sind wir uns bewusst. Die Belastungen fallen je nach Branche und Unternehmen sehr unterschiedlich aus. Somit stehen auch noch einige Korrekturen der Kurs-Gewinn-Verhältnisse aus. Den optimalen Zeitpunkt zur Investition wird uns niemand nennen können. Wir behalten daher Liquidität und lassen uns nicht aus dem Ruder bringen, falls die Märkte noch weiter fallen. Die Unternehmensbilanzen sind in gutem Zustand und werden die Krise aushalten. Es geht nur noch darum, welches KGV der Markt bereit ist zu zahlen.
Der Preis für die Chance auf eine langfristig höhere Rendite, die in der Lage sein wird, die Inflation auszugleichen, ist die Schwankung (Volatilität) an den Märkten.
Oder kurz gesagt: „Schwankungen sind der Preis für realen Kapitalerhalt!“
Passen Sie auf sich auf und bleiben Sie weiterhin gesund!
Herzliche Grüße aus Trier
Ihr Team der
Breiling | Spohn & Kollegen
Vermögensverwaltung GmbH
Disclaimer/Risikohinweis:
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