Auf den Punkt
Marktkommentar Januar 2022
Inhalt:
- Aktuelle Situation
- Inflation – das Virus der Zukunft?
- Einzelwertbetrachtung – diesmal ein Land: China
- Ausblick – Corona wird bleiben, die Zinswende wird kommen
Aktuelle Situation
Negative risikofreie Renditen, deutliche Bilanzausweitungen der Notenbanken, Aufholeffekte, fiskalische Stimulierung und die Hoffnung auf einen effektiven Impfstoff: Das Jahr 2021 hatte beste Voraussetzungen für den DAX -zumindest fundamental und rückblickend. Was der globalen Industrie zu schaffen machte waren angebotsseitige Probleme wie Lieferengpässe, fehlende Frachtkapazitäten und steigende Rohstoffpreise.
Mit der Ausbreitung der hochansteckenden Omikron-Variante dürfte die Stimmung und damit auch die Konjunkturindikatoren weiter unter Druck bleiben. Allerdings haben die Volkswirtschaften gelernt mit dem Virus umzugehen, so dass Lockdown-Maßnahmen, nicht zuletzt dank höherer Impfquoten, die Ausnahme bleiben dürften.
Somit ist der Ausblick auf das neue Jahr positiv, auch wenn die Konjunktur kurzfristig mit höheren Risiken behaftet ist und die geldpolitische Wende weltweit eingeleitet zu sein scheint.
Die FED hat bei Ihrem jüngsten Treffen bereits klare Worte für eine geldpolitische Wende gefunden. Auch die EZB wird ihre Ankaufprogramme Anfang des Jahres neu ausrichten und eine Straffung der Geldpolitik ist auch hierzulande zu erwarten. Die EZB hat sich jedoch durch die Anpassung des Inflationsziels und die Betonung eines „nachhaltigen Inflationsanstiegs“ viel Raum geschaffen, selbst bei einer länger anhaltenden Inflation nur marginal zu reagieren. Die hohen Schuldenquoten haben den Hebel der EZB-Geldpolitik vergrößert, so dass bereits moderate Zinsanhebungen einen deutlichen Effekt auf die Nachfragesituation hätten. Die EZB wird gut beraten sein, mit Weitsicht zu handeln. Steigende Zinsen 2022 sollten daher eher ein Indiz einer robusten Wirtschaft und damit auch steigendem Gewinnpotential für die Unternehmen sein.
Inflation – das Virus der Zukunft?
In den letzten 20 Jahren hatten wir statistisch gesehen eine relativ niedrige Inflationsrate, auch wenn die gefühlte Inflation stets höher erschien.
Seit der Finanzkrise 2008 hat sich die geldpolitische Situation deutlich geändert. Die Märkte werden mit Geld überschwemmt und es war nur eine Frage der Zeit, bis die Inflation merklich zunehmen würde.
Die Ursachen für den aktuellen Inflationsschub auf über 5 % liegen in einer Kombination aus starker Nachfrage, einem pandemiebedingt knappen Angebot vieler Güter, sowie einem starken Anstieg der Strom- und Energiepreise. Die Lieferkettenproblematik und Unterbrechungen im Welthandel haben ihr Übriges dazu beigetragen, die Situation weiter zu verschärfen.
Der anhaltende Kostendruck bei den Erzeugerpreisen, diesseits wie jenseits des Atlantiks, sowie fortbestehende Lieferengpässe in der Industrie, signalisieren anhaltenden Inflationsdruck. Das Angebot an Dienstleistungen ist weiterhin eingeschränkt, während die Nachfrage nach Gütern deutlich über dem Vor-Corona Niveau liegt. Somit bleibt das Inflationsrisiko trotz des bereits hohen Niveaus weiterhin bestehen. Zumindest kurzfristig.
Grundsätzlich wird sich die Inflationsdynamik im Verlauf des Jahres jedoch ändern. Haben im Jahr 2021 insbesondere Preisanstiege von Rohstoffen und speziell Energie den Anstieg der Inflationsrate bestimmt, so wird in diesem Jahr der Preisdruck deutlich breiter ausfallen und zunehmend von Zweitrundeneffekten bestimmt werden. Er könnte durch mögliche Lockdown-Maßnahmen bei weiter robuster Nachfrage auch weiter hoch bleiben. Da Rohstoffpreise jedoch gerne zu Übertreibungen neigen, ist eher mit einer Normalisierung und einem absoluten Rückgang zu rechnen, wenn sich Angebot und Nachfrage im weiteren Verlauf des Jahres 2022 angleichen. Weiterhin gehen durch den Vorjahresvergleich ab Januar die Basiseffekte und der Mehrwertsteuereffekt zurück.
Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Inflation aus unserer Sicht auch in Zukunft höher bleiben wird als im vergangenen Jahrzehnt. Die erforderlichen Maßnahmen eines umweltschonenderen und nachhaltigen Wirtschaftens werden Ihren „Preis“ haben. Weiterhin führt die gewünschte Reduktion der Abhängigkeit in den Lieferketten von Fernost zwangsläufig zu höheren Preisen für Produkte. Nicht zu vergessen die durch fiskalische Eingriffe stark ausgeweitete Geldmenge.
Die Inflation ist gekommen, um zu bleiben. Inflationsraten von unter 2 Prozent werden kaum zu erreichen sein. 2,5 – 3 Prozent könnten durchaus zur Realität des aktuellen Jahrzehnts werden und Staaten sich somit geschickt eines Teils ihrer Schuldenlast „entledigen“ können.
„Einzelwertbetrachtung“ – diesmal ein Land: China
China führte im Jahr 2020 die makroökonomische Erholung nach dem Ausbruch der Covid-19 Pandemie an. Im Jahr 2021 änderte sich die Lage grundlegend. Regulierungsreformen in den Bereichen Technologie, Immobilien und Bildung, die Energiekrise und die Evergrande-Krise (Immobilien) beeinträchtigten die Wirtschaftsleistung der Volksrepublik massiv. Im Jahr 2021 haben Chinas politische Entscheidungsträger der sozialen Ungleichheit den Kampf angesagt und versucht, strukturelle Ungleichgewichte wie die übermäßige Verschuldung oder den potenziellen Missbrauch von Monopolstellungen anzugehen. Das hat für erhebliche Unsicherheit gesorgt, dürfte das Wachstum des Landes aber mittel- bis langfristig nachhaltig stärken.
In den nächsten Monaten könnte sich die Stimmung gegenüber China erneut wandeln. Der Druck auf die chinesischen Kapitalmärkte scheint zumindest kurzfristig abgeklungen zu sein. Auch die vom strauchelnden Immobilienentwickler Evergrande ausgelösten Marktverwerfungen sind unseres Erachtens kein „Lehman-Moment“ für das Land.
China steht nach zwei Jahrzehnten, in denen sich das Pro-Kopf-BIP verzehnfachte, kurz vor dem Erreichen des so genannten „Mittleren Einkommensstatus“ (10.000 USD Pro-Kopf-Jahreseinkommen“). Das Wachstum des Landes hat sich zwar gegenüber dem früheren zweistelligen Tempo verlangsamt, für 2021 gibt Statista jedoch immerhin einen Schätzwert für das Wachstum des realen Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 8,02% an, sowie durchschnittlich ca. 5 % für die kommenden 5 Jahre. Zum Vergleich: Für die westlichen Industrienationen USA/Eurozone liegen die Schätzungen für die Jahre ab 2023 bei 1,5-2%.
China investiert massiv im eigenen Land
China hat sich ehrgeizige Ziele für die kommenden 5 Jahre gesetzt und da die Regierung nicht an Wahlzyklen gebunden ist, spricht viel dafür, dass alles darangesetzt wird, diese Ziele zu erreichen:
- Entkopplung vom Ausland
Das Ziel zu erreichen, fußt auf zwei Säulen. Zum einen die Förderung der technologischen Innovationsfähigkeit chinesischer Firmen sowie die Eigenständigkeit in Wissenschaft und Technologie, und zum anderen die Stärkung der chinesischen Binnenwirtschaft als Hauptstütze des Wirtschaftswachstums.
- Dekarbonisierung: China ist größter CO2-Emittent der Welt und strebt bis 2060 Kohlenstoffneutralität an – nicht zwingend zum Wohle der Welt, sondern zum Erhalt folgender strategischer Vorteile:
- Erhöhte Energiesicherheit– und Autarkie als Priorität
Großteil der Energie in China stammt aus fossilen Brennstoffen und in den letzten Jahren sind die Importe gestiegen
- Stärkung der Führungsposition bei sauberen Technologien – als weltweit führender Hersteller von Elektroautos, Windturbinen und Solarmodulen
- Verbesserung der Luftqualität – und Reduktion von Extremwetterereignissen wie Dürren, Überschwemmungen und Hitzewellen, die auch in China deutlich zunehmen dürften
Man kann davon ausgehen, dass Staatspräsident Xi Jinping – trotz aller Regulierung im vergangenen Jahr – weder ein Interesse daran hat seine innovativen heimischen Unternehmen noch die großen international tätigen Tech-Konzerne nachhaltig zu schwächen und damit deren Marktführerschaft zu gefährden. China bleibt einer der Wachstumstreiber der Weltwirtschaft. Das Land ist auf dem Weg, Ende dieses Jahrzehnts die USA als größte Volkswirtschaft der Welt abzulösen.
Mit der Nulltoleranzstrategie im Umgang mit Covid-19 und insbesondere der hochansteckenden Omikron-Variante bleibt kurzfristig eine Unsicherheit bestehen. Dank der strengen Maßnahmen und höherer Impfraten sollte das Thema jedoch längerfristig in den Hintergrund treten.
Angesichts des Ausverkaufs im Jahr 2021 werden chinesische Wertpapiere aktuell auf einem recht attraktiven Niveau gehandelt, insbesondere im Vergleich zu historischen Bewertungen. Wir sind optimistisch, dass Anleger 2022 ein anderes – positiveres – Bild von China zu sehen bekommen.
Ausblick – Corona wird bleiben, die Zinswende wird kommen
Wir erwarten ein solides, aber auch volatiles Kapitalmarktjahr 2022. Die Unternehmensbewertungen sind in Europa im vergangenen Jahr deutlich gesunken und liegen mittlerweile wieder im Bereich ihrer Vorkrisenniveaus. Das KGV des MSCI Europe Aktienindex beträgt aktuell 14,9 (Immobilien liegen bei ca. 125). In den USA sieht die Lage anders aus. Dort sind Aktien deutlich höher bewertet, insbesondere Firmen, die zunächst von einer guten Story leben, deren wirtschaftlicher Beweis jedoch noch nicht erbracht ist. Bei steigenden Zinsen wird das Börsenumfeld generell volatiler für Unternehmen mit hohen Wachstumserwartungen in der Zukunft. Der Börsenwert ist letztendlich an den Barwert der erwarteten künftigen Gewinne geknüpft, der sich durch deren Abzinsung ergibt. Dabei führt ein steigender Zins rein rechnerisch zu niedrigeren Barwerten und damit niedrigeren „fairen“ Börsenkursen. Hier könnte eine straffere Geldpolitik mit leicht steigenden Leitzinsen für Kurskapriolen sorgen, wie man bereits an den Kursreaktionen der letzten Wochen sehen konnte. Beispiele sind u.a. Rivian, Netflix, Zoom Video Communications, Delivery Hero SE, Shop Apotheke Europe N.V….
2022 wird das Jahr der Zinswende – zumindest in den USA. Unter Jerome Powells Führung hatte die Fed im Frühjahr 2020 den Leitzins auf Null gesenkt und weitere Anleihekaufprogramme gestartet, um die Konjunktur zu stützen. Nun erfolgt die Rolle rückwärts. Laut Powell haben sich viele Unternehmen und Branchen mit dem Virus arrangiert und somit gebe es keinen Grund zu befürchten, dass eine straffere Geldpolitik die Erholung der Wirtschaft abwürgen werde.
In Europa geht ein weiteres zinsloses Jahr zu Ende, inzwischen gehören Strafzinsen auf Girokonto-Guthaben bei den Banken sogar zum guten Ton. Wir gehen in Europa eher von einem „Zinswendchen“ als von einer Zinswende aus.
Die Diskussionen rund um Zinserhöhungen in der USA werden die Märkte stärker schwanken lassen. Wir rechnen in unseren Szenarien nicht mit stark steigenden Zinsen und sehen keine echte Zinswende mit hohen Zinsen, somit sollte die wirtschaftliche Erholung andauern und die Unternehmen ihre Gewinne steigern können. Am Erfolg und Wert von Unternehmen kann man sich aus unserer Sicht zu jeder Zeit über die Aktie beteiligen und erreicht somit auch einen gewissen Inflationsschutz. Das Jahr 2022 sollte ein solides Aktienjahr werden.
Und wie immer das Wichtigste zum Schluss:
Passen Sie auf sich auf und bleiben Sie weiterhin gesund!
Herzliche Grüße aus Trier
Ihr Team der
Breiling | Spohn & Kollegen
Vermögensverwaltung GmbH
Disclaimer/Risikohinweis:
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